Ligastreber im Herbst

Der VfL Bochum und der VfB Stuttgart passen ihre Spielweise der Jahreszeit an. Das unansehnliche 0:0 werten die Erfolgstrainer Peter Neururer und Felix Magath als Beleg für Winterfestigkeit

AUS BOCHUM MARTIN TEIGELER

Wenn es zwischen den Eckfahnen ungemütlich wird, reden sich die Trainer mit warmen Worten die Spiele schön. Eingepackt in einen dicken Anorak stand Bochums Coach Peter Neururer nach Spielende auf dem Platz und behauptete: „Das war die beste Heimleistung meiner Mannschaft.“ Ja, ein „teilweise überragendes Spiel“ wollte Neururer gesehen haben, ein „null zu null der absolut gehobenen Kategorie“. VfB-Kollege Felix Magath hatte sich mit einem wärmenden Schal vermummt, schmunzelte zufrieden und sagte: „Nach dem großen Erfolg gegen Glasgow Rangers war es normal, dass man durchatmet und zufrieden ist, das war okay.“ Als die 30.088 Zuschauer nach dem torlosen Spitzenspiel längst vor der Kälte geflüchtet waren, machten Magath und Neururer eine rhetorische Wärmestube auf. Dabei hatten die Fans im Bochumer Ruhrstadion langweiligen und risikofreien Herbstfußball zu sehen bekommen.

Die Überraschungsteams der Saison agierten, als hätten sie Winterreifen aufgezogen. Der gegenseitige Respekt überführte das Spielfeld von Beginn an in eine verkehrsberuhigte Zone. Stuttgart ging drei Tage nach dem Achtelfinaleinzug in der Champions League komplett auf Nummer sicher. Angesichts der gesperrten oder verletzten Stammspieler Bordon, Hleb und Meira setzte der Tabellenführer vollends auf Kompaktheit und Toreverhinderung. Heimtrainer Peter Neururer machte das Spiel mit und stellte zu Beginn seinen besten Spieler Paul Freier auf links, um mögliche Vorstöße Hinkels zu verhindern. Erst als der Bochumer Coach nach einer halben Stunde bemerkte, dass der Stuttgarter Nationalspieler kaum Vorwärtsversuche unternahm, durfte Freier auf seine rechte Offensivposition zurückkehren.

Auf dem Weg in die Kabine fing Peter Neururer zur Pause seine Kreativspieler Hashemian, Freier und Madsen ab. Noch auf dem Rasen versuchte der VfL-Trainer mit weit ausholenden Gesten zu erklären, wie man die beste Abwehr der Bundesliga doch noch überraschen könnte. Die drei Spieler begleiteten Neururers Ausführungen mit ernstem Kopfnicken. „Ich habe gesagt, wir müssen variabler spielen“, erklärte Neururer später seinen Kurzvortrag im Freien. Der öffentliche Ratschlag zur Halbzeit brachte keinen erkennbaren Erfolg. Mut und Risiko kamen im VfL-Spiel auch nach der Pause kaum vor. Freier blieb mit seinen schönen Sololäufen einsam, Angreifer Hashemian wurde ebenso wenig unterstützt. Die spielstarken Defensivkräfte Sunday Oliseh und Thomas Zdebel verharrten bei Ballbesitz meist ängstlich an der Mittellinie. Olisehs Freistoß über das Tor und ein verunglückter Madsen-Kopfball nach einer Flanke von Freier – näher kamen die Bochumer dem VfB-Tor nicht.

Das junge Stuttgarter Team hat schnell gelernt. In Bochum überwachte der VfB das Spiel mit dem Habitus des selbstgewissen Tabellenführers. Kein Schritt zu viel, kein Foul zu wenig, kein Gedanke an die Träume der Fans vom schönen Fußball. Stuttgart kann an schlechteren Tagen wie am Samstag in Bochum bereits vom Ruf des europaweit bekannten Erfolgsteams leben. Zudem wird der Mannschaft von Felix Magath auch schon der branchenübliche Bonus des Bundesliga-Ersten zuteil. Schiedsrichter Edgar Steinborn leistete sich keine schwerwiegende Fehlleistung, aber die Dutzend-Entscheidungen, die in jedem Spiel üblichen Minifouls, Rempler und kleinen Ordnungswidrigkeiten wertete er auffällig oft zugunsten der Gäste. „Wir haben vorsichtig gespielt, denn sonst kriegt man von denen drei oder vier Tore“, fasste VfL-Spieler Sunday Oliseh die Ängstlichkeit der Bochumer in Worte. „Spitzenreiter, keiner weiß warum“, sang der VfL-Anhang gegen Spielende etwas frustriert. Dennoch feierten die Fans den Teilerfolg gegen den Marktführer.

„Taktisch war das eine Meisterleistung“, lobte Peter Neururer überschwänglich seine Elf. Tabellensechster. Im Ruhrstadion ungeschlagen. Der VfL-Trainer ist stolz auf die relative Stabilität einer Mannschaft, die vor Saisonbeginn zum erweiterten Kreis der Abstiegskandidaten gerechnet wurde. Während wenige Kilometer weiter in Dortmund und Schalke die Saisonziele revidiert werden müssen, hat sich Bochum im obersten Mittelfeld der Tabelle etabliert und darf vom Uefa-Cup träumen. „Das ist eine richtig heimstarke Mannschaft“, lobte Gästetrainer Magath den VfL und verbuchte den Auswärtspunkt deshalb auch als Gewinn. Beide Erfolgstrainer schöpften aus dem 0:0 Erbauung und Ermutigung. Magath und Neururer trauen sich zu, ihre Teams gut durch den Winter zu bringen.

VfL Bochum: van Duijnhoven - Colding, Kalla, Fahrenhorst, Bönig - Zdebel, Oliseh - Wosz (76. Diabang) - Freier, Madsen, Hashemian VfB Stuttgart: Hildebrand - Hinkel, Soldo, Wenzel, Lahm (80. Gerber) - Tiffert, Vranjes, Heldt (68. Amanatidis), Meißner (88. Branco) - Kuranyi, SzabicsZuschauer: 30.000